Geschichten erzählt zu bekommen ist ein menschliches Bedürfnis.

Alan Rickman

 

Seit ich denken kann, habe ich Geschichten in mich aufgesaugt wie ein Schwamm. Zunächst wurden sie mir erzählt; doch dadurch, dass ich schon sehr früh lesen und schreiben konnte, bekam das Ganze eine rasante Eigendynamik.

 

Ich bin überzeugt davon, dass der Mensch süchtig nach Geschichten ist – Stories, die ihm den Atem rauben, durch die er die Zeit vergisst, in die er eintauchen und dabei fremde Welten und auch sich selbst entdecken kann. Das ist mein Credo.

 

Ich unterrichte in einem Brückenangebot junge Erwachsene auf der Schwelle zum Berufsleben. Sie sind sich noch daran, ihren Platz auf dieser Welt zu finden, haben viele Fragen an das Leben und versuchen dabei, ihre Unsicherheiten zu verstecken und an der Welt der Erwachsenen zu rütteln. Es ist ein wunderbarer Job; er lässt mich immer am Puls der Zeit bleiben, und ich kann jedes Jahr aufs Neue interessante Persönlichkeiten kennenlernen.

 

Auch sie mögen Geschichten – vor allem auf Netflix. Das ist okay, wir leben schliesslich im 21. Jahrhundert. Es ist ihre Art zu träumen und die Fantasie anzuregen. Ja, auch sie schreiben! Und sie kriegen viel Lesestoff in diesem Schuljahr. Das ist der Fluch, wenn der Lehrer nebenberuflicher Autor ist. Aber auch sie können das! Schon zum zweiten Mal habe ich mit einer Klasse einen Erzählband mit Stories veröffentlicht – und immer wieder vermögen mich die Jugendlichen zu überraschen, wozu sie fähig sind, wenn ihnen die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden und ich sie an meiner Leidenschaft teilnehmen lassen kann.

 

Wo sonst kann man das?

 

So nütze ich neben der Schule meine freie Zeit zum Schreiben, versuche nach Themen zu greifen, um sich wieder zu verwerfen, schaffe neue Leben und halte Ideen fest, die plötzlich zu ganzen Romanen wachsen. Jedes Mal wieder von Neuem, bis der letzte Punkt gesetzt ist.

Und irgendeinmal – um den Kreis mit einem Zitat zu schliessen – stelle ich beim Schreiben fest, was Max Frisch schon vor vielen Jahren zu Papier gebracht hat:

 

Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.